Gläubig und kämpferisch
Aus voller Kehle stimmen die rund 100 Frauen vor dem Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus – viele von ihnen ganz in weiß gekleidet – das Magnificat an, den Lobgesang der Gottesmutter Maria. Gebete und Fürbitten schallen – megaphonverstärkt – über den Platz. Immer mehr Passanten halten interessiert inne. Applaus brandet auf, als eine der Initiatorinnen der Aktionswoche Maria 2.0 ruft: „Wir werden nicht länger schweigen! Jetzt ist die Stunde, Gleichberechtigung und gleiche Würde für Frauen in der katholischen Kirche weltweit zu erkämpfen!“
Seit dem 11. Mai haben die Frauen, angestoßen von einer Initiative aus dem Bistum Münster, jeden Abend vor einer anderen Kirche in der Dompfarrei gebetet und ihr Anliegen deutlich gemacht. „Gleiche Rechte, gleiche Würde in der Kirche“ wollen sie erstreiten, indem sie eine Woche lang alle Ehrenämter haben ruhen lassen und ihre eigenen Wortgottesdienste – zum Teil in Regen und Kälte - vor den Kirchen gefeiert haben. Viele tragen weiße Kleidung, als Ausdruck von Sehnsucht und Hoffnung, um aufzufallen und zu zeigen, dass Frauen wie alle Christen in der einen Taufe Christus gleichsam angezogen haben und damit gleiche und vollwertige Mitglieder der Kirche sind, wie es Schweizer Ordensfrauen im Kloster Fahr formuliert haben und Woche für Woche beten.
Frauen und Männer sind durch die eine Taufe gleich- und vollwertige Mitglieder der Kirche. Im Miteinander in allen Diensten und Ämtern können sie zu einer Kirche beitragen, die erneuert in die Zukunft geht.
Gebet am Donnerstag – Kloster Fahr (Schweiz)
Am Samstag, 18. Mai, nehmen immer wieder Frauen das Megaphon zur Hand. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Kaiserdom, die gleichzeitig Auftakt für weitere Aktionen sein soll, geben sie in kurzen bewegenden Aussagen zu Protokoll, wie wichtig ihnen diese Solidarität unter Frauen ist. „Wir Frauen werden in unserer Kirche immer noch diskriminiert. Mit diesen Traditionen müssen wir brechen!“. Und eine andere fordert: „Wir müssen viel öfter Flagge zeigen gegen die Manifestation der Macht in der katholischen Kirche.“ Die nächste ergänzt: „Jesus würde Frauen nicht ausschließen!“. „Ihr gebt mir Hoffnung für die Zukunft unserer Kirche“, versichert wieder eine andere. Eine junge Frau fasst die Klagen zusammen: „Uns liegt die Kirche am Herzen, aber wir Frauen liegen der Kirche nicht am Herzen!“
Mit Dankbarkeit und neuem Schwung
Und doch überwiegt Dankbarkeit und neuer Schwung bei den Frauen auf dem Domplatz. Eine spricht ihnen aus dem Herzen, die berichtet, dass sie – obwohl als junges Mädchen Ministrantin – schon lange mit ihrer Kirche haderte und immer wieder überlegte zu gehen: „Ich trete nicht aus! Danke an Maria 2.0! Endlich begehren die Frauen auf, da will ich dabei sein und mitmachen.“ Unter Tränen umarmt eine der Initiatorinnen die ihr fremde Frau. Und auch ein Mann meldet sich zu Wort und bestärkt die Frauen: „Auch berechtigte Kritik will die Kirche allzu oft nicht hören. So kann es nicht weitergehen!“
Dass der Protest weitergetragen wird, dafür wollen die ehrenamtlichen Frauen aus der Dompfarrei sorgen. Auf Postkarten äußern sie ihre Wünsche, nach gleichberechtigter Beteiligung, Zugang zu allen Ämtern und Diensten, nach der Weihe für Frauen, nach rückhaltloser Aufarbeitung des Missbrauchs, nach einem Ende des Klerikalismus. Sie sollen demnächst dem Limburger Bischof Georg Bätzing übereicht werden. Außerdem laden die Frauen ein, künftig einmal im Monat, jeweils am zweiten Donnerstag um 19 Uhr, auf dem Frankfurter Domplatz zu Gebet und Kundgebung zusammen zu kommen. „Wir haben keine Angst mehr anzuecken, wir kämpfen für unseren Traum von einer gerechten Kirche.“